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Peru per Rad - Mitte

261 km Radreise - als Teil einer Weltreise mit dem Fahrrad - von der Hauptstadt Lima auf der Panamericana an der Küste nach Norden und dann hinauf in die Anden in die Cordillera Huayhuash, nach Huaraz in der Cordillera Blanca. Dort Höhenakklimatisation mit Training am Gletscher und Trekking und dann Besteigung des 6.034 m hohen Tocllaraju und anschließend mit dem Bus über Trujillo nach Ecuador.


Reiseroute

Daten

25.06. - 27.07.2006 / 33 Tage

261 km

5.215 Höhenmeter

Höchster geradelter Punkt: 4.217 m

Reisebericht

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Fotogalerie


Bericht

Nach einigen Tagen in der Hauptstadt Lima gings dann endlich raus aus der Garua, dem Küstennebel, der alles an der Küste Perus zu dieser Jahreszeit in ein tristes Grau hüllte. Auf der Panamericana gings nach Norden und dann rauf in die Anden. Und da fing es dann mit den Extremen auch schon an: auf knapp 100 km gings von 0 auf über 4.100 m Höhe konstant bergauf! Zum Glück wurde ich mangels Gasthäuser auf halber Höhe von einer netten Familie für die Nacht in ihr Haus eingeladen und wie selbstverständlich bot man mir das einzige Bett im Haus an. Natürlich aber schlief ich auf meiner Isomatte auf dem Boden!

 

Die nächste Nacht verbrachte ich dann bitterkalt auf 4.100 m bei einer anderen Familie, bevor ich mich auf den Weg machte in die Cordillera Huayhuash, erst nochmal weiter rauf auf 4.217 m und dann runter über endlose Schotter-Serpentinen nach Chiquian auf 3.400 m. Da erwischte mich dann endgültig eine bunte Mischung aus Höhenkrankheit, Grippe und Magenverstimmung (letztere vermutlich dank eines dubiosen, aber äußerst billigen, riesigen runden Käses...). Also hütete ich das Bett, was mir gar nicht so unrecht war, denn es war ja schließlich Fußball-WM in Alemania! Nachdem man mich noch in Lima für das Erreichen des Halbfinales beglückwünscht hatte (Fernseher standen einfach überall), bekundete man mir nun hier allerdings nach dem Ausscheiden der deutschen Mannschaft mit tiefstem Mitgefühl Beileid.

 

Als das Fieber endlich weg war, wollte ich das auch. Also machte ich mich auf den Weg nach Huaraz in der Cordillera Blanca. Wieder raubte mir das Radeln auf über 4.000 m im wahrsten Sinne des Wortes mit jedem Pedaltritt den Atem und so keuchte ich an der grandiosen Bergkulisse mit schnee- und eisbedeckten Fünf- und Sechstausendern vorbei nach Huaraz, in DAS Bergsteiger- und Trekking-Mekka Südamerikas! Und hier bekam ich dann die Quittung für meine Schlauheit, auf über 4.000 m mit Kontaktlinsen und ohne Sonnenbrille Rad gefahren zu sein: Bindehautentzündung! Im Krankenhaus sagte man mir: Fünf Tage schonen! Gut dachte ich, das kommt ja gerade so hin, denn in etwa fünf Tagen hatte ich mich mit Vladimir aus Israel, den ich auf der Osterinsel getroffen hatte, hier für das ein oder andere Abenteuer verabredet.

 

Die Augen wurden wieder besser, Vladimir kam, und so legten wir einen ersten Tag Training im Eisklettern ein. Und zwar am Pastoruri-Gletscher auf 5.000 m Höhe! Da ist schon normales Gehen für die meisten Schwerstarbeit. Wie erwartet wurde das Ganze eine höllisch atemraubende Angelegenheit, aber wir schafften die Wand und so fühlten wir uns zu "Höherem" bereit.

 

Zur Höhenakklimatisation wollten wir aber erst ein paar Tage Trekken gehen. So heuerten wir zwei burros und einen arriero an, also zwei Packesel und einen Eselführer, und machten uns mit Verpflegung für fünf Tage und Campingequipment auf den Santa Cruz Trek quer durch die Cordillera Blanca. Mich erwischte ab dem zweiten Tag wieder irgendetwas mit Fieber, so dass ich genug Mühe ohne schweren Rucksack hatte und froh war, dass wir unsere Esel fürs Gepäck dabei hatten. So keuchte ich über den höchsten Pass auf 4.750 m. Gegen Ende des Treks im Llanganuco Valley gings dann schon wieder besser und so stand der wirklichen Herausforderung nichts mehr im Wege.

 

Drei Tage später hatten wir endlich einen Bergführer, Ausrüstung, Transport der Ausrüstung zum Basecamp und Finanzielles geklärt und es konnte losgehen! Einen Tag lang wanderten wir mit leichtem Rucksack und einem Packpferd zum Tocllaraju Basecamp auf 4.350 m. Am nächsten Tag gings dann mit sämtlicher Kletterausrüstung, Campingequipment und Verpflegung und somit schrecklich schwerem Rucksack über steile Fels- und Schneehänge oft mehr kletternd als gehend bergauf zum Camp 1 auf 5.100 m. Völlig fertig bauten wir das Zelt zwischen den Felsen auf, kochten und legten uns früh schlafen. Denn um Mitternacht standen wir wieder auf und nach einem schnellen Frühstück gings um 1.00 Uhr nachts los. Und wer jetzt gemütlich auf seinem Bürosessel oder seiner Couch sitzt, der kann sich vermutlich gar nicht vorstellen, was es bedeutet, auf über 5.000 m Höhe (der Mont Blanc als Europas höchster Gipfel ist "nur" 4.800 m hoch!) mitten in der Nacht in die eisige Kälte aus dem Zelt zu kriechen, die Ausrüstung anzulegen und im Dunkeln über steile Gletscherwände zu klettern und sich mit zwei Eispickeln an senkrechten Eiswänden nach oben zu kämpfen! Jeder einzelne Schritt war, als wenn es der letzte noch mögliche ist, bevor wir an Sauerstoffmangel zusammenbrechen würden! In den unzähligen Steilwänden, in denen wir zu dritt nur an ein oder zwei kleinen ins Eis gedrehten Schrauben gesichert waren, von denen ganz und gar nicht klar war, dass sie uns alle drei im Fall eines Sturzes halten würden, hingen wir dann also im Stockdunkeln nur mit dem Lichtkegel der Stirnlampe in eisiger Kälte in der senkrechten Wand und schlugen die Eisäxte in die Wand, dass sie den nächsten Zug nach oben halten würden, denn ein Abrutschen würde zumindest Vladimir, der ein paar Meter über mir kletterte, mitreißen. Wir keuchten wie die Weltmeister in der dünnen Luft und nach fast acht Stunden Schwerstarbeit saßen wir unter der letzten, natürlich besonders langen Steilwand unterhalb des Gipfels. Inzwischen war es hell geworden und wohl nur weil wir den Gipfel so nah sehen konnten, schafften wir mit allerletzten Kräften auch noch diese Wand. Wir waren tatsächlich oben: Oben auf dem Tocllaraju auf 6.034 m (und das bei -35 Grad!)! Es war ein unglaubliches Gefühl, was man sich nun wiederum im Bürosessel vielleicht ebenfalls nicht vorstellen kann. Doch es stand noch der lange Abstieg bevor und es kam schlechteres Wetter und so machten wir uns nach ein paar Fotos an den langen Weg nach unten. Immer wieder an den Steilwänden abseilen, in der Kälte warten, dann endlos zurück über die Gletscher steil bergab durch den Schnee. Nach einer Ewigkeit erreichten wir am Ende unserer Kräfte Camp 1, wo wir nach einer halben Stunde regloser Pause das Zelt abbauten, die unvorstellbar schweren Rucksäcke schulterten und uns an den Abstieg zum Basecamp machten. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit stolperten wir mit Schmerzen in jedem einzelnen Körperteil ins Basecamp. Wir waren somit mehr als 19 Stunden lang in extremster Höhe fast ununterbrochen geklettert und gelaufen. Nach nur einem Bier auf unseren Erfolg fielen uns die Augen zu. Wir hatten es tatsächlich geschafft und wir waren an diesem Tag die einzige Seilschaft, die es bis auf den Gipfel geschafft hatte! Eine der beiden anderen Gruppen musste schon im Camp 1 wegen Höhenkrankheit aufgeben, die andere unterhalb des Gipfels an der letzten Steilwand wegen des aufkommenden schlechten Wetters. Wir schliefen wie Tote! Am nächsten Tag wanderten wir zurück ins Tal und waren uns beide einig: Trotz vieler Jahre Freeclimbing war es das härteste, das anstrengendste und das extremste, was wir beide je gemacht hatten. Und wir werden es nie vergessen!

 

Am nächsten Tag musste ich mich leider von Vladimir verabschieden. Für ihn gings weiter nach Süden und dann zurück nach Israel. Ich machte mich auf den Weg nach Norden. In Ecuador wartete eine Sendung von einer der Sponsoren auf mich. Eigentlich hatte ich die Galapagosinseln ansteuern wollen, aber das stellte sich als entschieden zu teuer für mein Budget heraus, so dass ich mich eigentlich nur wegen des Paketes auf den Weg machte. Daher ließ ich mein Rad im Hostal und startete mit Rucksack und Bus. Auf dem Weg zur ecuadorianischen Grenze beglückte ich noch in Trujillo die Chan Chan Ruinen und die Tempel Huacas de la Sol y de la Luna aus der Zeit des Moche-Imperiums mit meinem Besuch. Und dann gings nach Ecuador!


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