1.864 km Radreise - als Teil einer Weltreise mit dem Fahrrad - von der nepalesischen Grenze nach Chandigarh und hoch nach Manali, dann den Manali-Leh-Highway über die höchsten Straßenpässe der Erde nach Leh in Ladakh und nach Westen nach Srinagar in Kashmir, von dort mit einem Bus nach Delhi.
21.05. - 12.07.2007 / 53 Tage
1.864 km
20.002 Höhenmeter
Höchster geradelter Punkt: 5.385 m
Bericht hinter den Fotos. Hier direkt zum Bericht!
Ich überquerte die Grenze und war wieder in Indien. Die Hitze so kurz vor dem Monsun war kaum auszuhalten und ich war für Ende Mai mit Hugo aus Belgien, der seit vielen Jahren unterwegs war, in Manali verabredet, um zusammen durch den indischen Himalaya zu fahren. So fuhr ich denn, ohne irgendwo länger als über Nacht zu bleiben, durch die indische Tiefebene südlich des Himalaya über Haridwar und Chandigarh und startete die kurvige Serpentinenstraße hinauf in die Berge, in die ersten, noch bewaldeten Ausläufer des Himalaya. Aber ich war mal wieder krank und so kam ich nicht weit. Noch bevor ich Manali erreichte, musste ich eine Zwangspause einlegen. In Manali kam ich dann in den zweifelhaften Genuss, indische Krankenhäuser besuchen zu dürfen. Nach zehn Tagen Auskurieren in Manali gings mir endlich etwas besser. Inzwischen war auch Hugo endlich angekommen, er war auch krank gewesen.
Endlich konnte es losgehen auf den Manali-Leh-Highway, einer Straße, nur etwa drei Monate im Sommer geöffnet und passierbar, die Leh in Ladakh mit der Außenwelt über die höchsten Pässe dieser Erde verbindete. Zumindest höhenmäßig wohl das Extremste, was man als Reiseradler fahren konnte. Erdrutsche, Flussdurchquerungen, oft nur eine einzige schlammige Schotter-Fahrspur und nicht zuletzt die extreme Höhe der Strecke machten aus dem Ganzen alles andere als eine Spazierfahrt.
Ich noch immer mit Antibiotika, gingen wir den ersten Pass an, von 2.000 m Höhe auf knapp 4.000 m: Rohtang La, total überlaufen, da ein beliebtes Ziel indischer Touristen, um ihren ersten Schnee im Leben zu berühren. Hinter dem Pass wurde es dann endlich schlagartig ruhig, wir waren bis auf vereinzelte Trucks allein und wir waren endlich richtig drin im Himalaya! In atemberaubender Kulisse gings über eine schlammige Schotterpiste endlose Kehren bergab. In einer von denen passierte es dann: auf losem Schotter rutschte das Rad weg und kam zum Glück noch vor dem Abgrund zum Stehen. Rad ok, aber mein Knie war aufgerissen...
Die nächsten vier Tage gings durch atemberaubendes Bergpanorama auf oft eher rüttliger Piste auf und ab, über die Pässe Baralacha La (4.829 m) nach Ladakh in der Provinz Jammu und Kashmir, über die Gata Loops auf 4.911 m und über Lachlung La (5.065 m). Wir übernachteten in runden Nomadenzelten, die oft die einzige Verpflegungs- und Unterkunftsmöglichkeit waren, und eine Nacht ließ uns die indische Armee bei sich übernachten und kochte sogar für uns mit.
Nachdem schon einige Tage zuvor mein Ständer gebrochen war (ja, der vom Fahrrad...), passierte auf dem Weg durch die eindrucksvollen Schluchten von Pang etwas sehr viel Fataleres: Nach über 33.000 km gab der Freilauf in der XT-Hinterradnabe seinen Geist auf. Treten also vorwärts wie rückwärts nur noch wirkungslos im Freilauf! Zum Glück gings die letzten fünf Kilometer bis Pang, einer kleinen vorübergehenden Ansammlung von Nomadenzelten, hauptsächlich bergab. Gebrochen oder nur verdreckt, ohne Spezialwerkzeuge nicht zu klären. So sah es nach dem traurigen Aus für mich aus. Kurz vor dem zweithöchsten Pass der Erde und mitten in einer der faszinierendsten und überwaltigendsten Berglandschaften, in der ich je gewesen war, würde ich mein Rad und Gepäck wohl auf einen Jeep, Bus oder Truck laden müssen. In einem der anderen Zelte hatte ich einen Jeep mit wegen Höhenkrankheit im Zelt liegendem Fahrer für den nächsten Morgen organisiert und meine Enttäuschung, weder die Strecke bis nach Leh, noch die Strecke von Leh nach Srinagar in Kashmir fahren zu können, war riesengroß. Wenn überhaupt, dann wäre eine passende neue 9-fach 36-Loch-Felge nur in Delhi zu bekommen und schon das war eher unwahrscheinlich. Noch unwahrscheinlicher war natürlich, dass wir hier mitten im Nirgendwo auf einen anderen Radler treffen würden, der dann auch noch irrwitzigerweise eine Ersatz-Nabe dabei hätte, die dann auch noch passen würde.
Aber irgendwie hatte ich mal wieder unfassbares Glück: Karin und Peter aus Holland rollten im Zeltlager ein und etwas später war klar: Sie hatten tatsächlich eine Ersatz-Nabe dabei und die passte zu meinem Rad! Ich war den beiden überdankbar, dass sie mir die Nabe überließen und war allen dreien dankbar, dass sie mit einem Tag Pause ohnehin ganz glücklich waren. Und so tauschten wir am nächsten Tag die Nabe aus und speichten das Rad neu ein.
Dann gings tatsächlich weiter! Wir kämpften uns über Taglang La, mit 5.330 m Höhe der zweithöchste Straßenpass der Erde, und zwei Tage später waren wir in Leh, dem größten Ort in Ladakh. Nach Tagen nur mit Linsen und Reis war Leh ein Paradies mit Pizza, Schokoladenkuchen und Apple Pie! Während ich zur Abwechslung mal wieder krank wurde, holten wir uns trotzdem die nötige schriftliche Erlaubnis, weiter nach Norden ins Sperrgebiet auf den höchsten Pass der Erde, Khardung La, zu fahren. Mit Peter, Javi, einem Radler aus Spanien, den wir auch schon auf dem Weg hierher getroffen hatten, und seinem Freund aus Frankreich gings dann vier Tage später los. Ohne Gepäck machten wir uns an den Weg bergauf. Oben war´s kalt und es schneite sogar etwas, aber wir schafften es schließlich alle bis nach oben!
Nach einem Besuch beim imposanten Thiksey Gompa verabschiedeten wir uns leider von Karin und Peter und machten uns auf den Weg nach Westen, Richtung Srinagar in
Kashmir.
Sechs Tage gings durch atemberaubende meist karge Berglandschaften über die letzten drei Pässe Fotu La (4.127 m), Namika La (3.880 m) und Zoji La (3.645 m) ins grüne und bewaldete Kashmir. Je näher wir der Waffenstillstandslinie mit Pakistan kamen, desto dichter wurde die schwer bewaffnete Militärpräsenz.
Kurz vor Srinagar hatten uns dann der chaotische und mörderische indische Verkehr und die Menschenmassen wieder. Srinagar mit seinem ruhigen See voll mit Hausbooten war das Epizentrum des Kashmir-Konflikts und war eine einzige schwer militarisierte Ausnahmezone, mit Sandsack-Bunkern an Straßenkreuzungen und schwer bewaffneten, paramilitärischen Truppen auf Patrouille. Außerdem war Monsun und so packten wir zum ersten Mal unsere Räder auf das Dach eines Busses. Aufgrund eines Erdrutsches kamen wir dann aber trotzdem erst 30 Stunden später in New Delhi an.
Schon Monate zuvor hatten wir geplant, von hier aus zusammen weiterzureisen. Da ich aber noch etliches hier in Delhi zu erledigen hatte und Hugo noch ein offenes Rückflugticket nach Thailand hatte, floh er für ein paar Tage aus dem feuchtheißen Monsun-Klima Delhis und flog an den Strand. Wir würden uns in ein paar Tagen wiedertreffen. Wo? Na irgendwie fehlte ja noch ein Kontinent und wir hatten beide gehörigen Respekt vor ihm. Die Tatsachen, dass man die Stadt auf meinem Flugticket auch Nairobbery nannte und sie eine der gefährlichsten Städte Afrikas sein sollte, trugen nicht gerade zur Ermutigung bei. Mit zugegebenermaßen zum allerersten Mal gemischten Gefühlen stieg ich in die Maschine nach Nairobi, Kenia, ein und würde bestimmt froh sein, wenn Hugo dann drei Tage später auch ankommen würde...