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Kurdistan & Kaukasus per Rad

Radreise durch Türkei, Irak, Georgien, Armenien und Bergkarabach

3.701 km vom Van-See im kurdischen Teil der Türkei durch den äußersten Südosten bis in den Irak nach Dohuk, zurück in die Türkei, nach Norden durch Anatolien bis zum Schwarzen Meer nach Georgien, in den Kaukasus und nach Süden nach Armenien und Bergkarabach. Zurück durch Armenien, Georgien und die Türkei zum Van-See.


Reiseroute

Daten

27.07. - 04.09.2011 / 39 Tage

3.701 km

40.983 Höhenmeter

Höchster geradelter Punkt: 2.710 m

Reisebericht

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Bericht

Türkei I

(508 km, 6.530 Höhenmeter) Kaum in Van am gleichnamigen Van-See im Südosten der Türkei gelandet, startete ich am nächsten Tag in einem Bogen südwärts über Pässe, durch tiefe Schluchten und vorbei an zahlreichen Posten des türkischen Militärs durch den südöstlichsten Teil Anatoliens mit Ziel Irak.

Irak

(109 km, 893 Höhenmeter) Nach ein paar anstrengenden aber noch nicht ganz so heißen Tagen quälte ich mich nun in unerträglicher Hitze von etwa 50 Grad (im kaum vorhandenen Schatten wohlgemerkt!) langsam in die Tiefebene hinab zur irakischen Grenze. Ich bekam vom freundlichen irakischen Grenzbeamten einen Stempel mit meinem 10-Tages-Visum für den von den Kurden verwalteten Norden des Irak in den Pass gedrückt! Derzeit, zum schrecklichen Leidwesen der kurdischen Bevölkerung, aufgrund des IS-Terrors ein vielleicht auf Jahre unmögliches Unterfangen!

Nicht nur wegen der Freundlichkeit der Menschen hätte ich liebend gerne mehr von diesem Land bereist, doch die unglaubliche Hitze zu dieser Zeit, Anfang August, war selbst mir Wüsten- und Hitzeliebhaber doch ein wenig zu viel und so kehrte ich in Dohuk wieder um, zurück zur türkischen Grenze.

Türkei II

(901 km, 9.139 Höhenmeter) Ich durchquerte in gut 900 anstrengenden Kilometern den äußerst gebirgigen, kurdischen Teil Ostanatoliens. Nach zahllosen Schluchten, Pässen, Hundeattacken, oft orkanartigem Gegenwind und teils endlosen Baustellen stieß ich kurz vor der Grenze zu Georgien auf die Küste vom Schwarzen Meer. Promenaden und Strände, was für ein Kontrast, und der Kaukasus im Hintergrund!

Georgien I

(498 km, 3.729 Höhenmeter) Ich überquerte die Grenze zu Georgien und entspannte meine geplagten Knochen einen Tag in Batumi am Strand und ließ es mir gut gehen. Nach den vielen Tagen in den abgelegenen Bergen der Osttürkei war es schön, mal wieder andere Reisende und Touristen zu sehen, zumeist Russen und Georgier selbst. Etwas weiter nördlich legte ich gleich noch einen Bade- und Entspannungstag ein, bevor es dann auf den Weg nach Osten Richtung Hauptstadt Tbilisi ging. Über Kutaisi mit der imposanten Bagrati Cathedral und einigen Ruinen und einem kleineren Pass mit Tunneldurchquerung ging es wieder bergab in vielen Kehren Richtung Gori. Die Straße führte nun durch eine Ebene mit den Bergen des südlichen Georgiens und weiter im Süden denen Armeniens zu meiner Rechten: Der kleine Kaukasus, in dessen Richtung ich bald abbiegen würde. Zu meiner Linken, seitdem ich das Schwarze Meer verlassen hatte, der Große Kaukasus. In Sichtweite diesmal allerdings die Provinz Süd-Ossetien, um die es seit Jahrzehnten Krieg und gewalttätige Auseinandersetzungen gibt. Doch auf der Hauptstraße war alles sicher und so rollte ich unbeschadet und zügig über den Expressway in die Hauptstadt Tbilisi, zehnmal größer als jede andere Stadt Georgiens.

Ich hatte überlegt, den Georgian Military Highway hinein in den Großen Kaukasus bis zur russischen Grenze zu radeln. Aber es war gar nicht mal der knapp 2.400 m hohe Pass, den es dazu zu überwinden galt, sondern mehr die nette Gesellschaft, die ich in Tbilisi kennengelernt hatte und die vielen Reiseradlern gleiche Abneigung vor einer Strecke, die man auch wieder zurückfahren musste. So entschied ich, gemeinsam mit einem Franzosen und einem Japaner am nächsten Tag mit einem georgischen Sammeltaxi, einer Marshrutka, den Weg über die Serpentinen nach Kazbegi anzutreten. Drei Stunden lang fuhren wir durch atemberaubende Landschaft und fantastische Aussichten, bei denen ich dann doch einige Male bereute, nicht mit dem Rad gefahren zu sein. In Kazbegi bezogen wir ein einfaches Zimmer und wanderten über steile Pfade hinauf zur berühmten, fast alle georgischen Reiseführer auf dem Einband zierende Tsminda Sameba Kirche und ein paar Höhenmeter weiter bis zum Gletscher auf über 3.000 m. Wir fuhren noch mit einem Taxi bis zur russischen Grenze, die für Ausländer seit jeher gesperrt ist, wo uns Elisabeth und Alexander aus Moskau, auf dem über 2.000 km langen Weg zu einem Familienbesuch in Georgien, eine Mitfahrgelegenheit bis zurück in die Hauptstadt anboten. Und so wurde es eine unterhaltsame Kauderwelsch-Fahrt aus deren äußerst spärlichem Englisch und unserem äußerst spärlichen Russisch durch die grandiose Bergwelt des Kaukasus zurück bis nach Tbilisi.

Nach weiteren Erkundungen der Altstadt und der Kathedrale in der Hauptstadt saß ich wieder im Sattel, seit langem mal wieder Richtung Süden, der armenischen Grenze entgegen, wo ich wenig später mein Visum in den Stempel gedrückt bekam.

Armenien I

(477 km, 6.946 Höhenmeter) Durch den beeindruckenden Debed Canyon ging es weiter nach Süden. In Alaverdi ließ ich mein Gepäck auf dem Zimmer und kämpfte mich zwei Mal die teils äußerst steilen Serpentinen hinaus aus dem Canyon zu zwei der Unesco-Weltkulturerbe-Klöstern hinauf. Schweißtreibende, aber sehr lohnende Abstecher! Über einige Pässe ging es dann rauf und runter zum Sevan-See, wo ich wider Erwarten keine bezahlbare Unterkunft fand. Doch der Taxifahrer Arman, den ich angesprochen hatte, fuhr vor mir her bis zu einem etwas heruntergekommenen Yachtclub mit einem einfachen Zimmer direkt am See. Das hatte zwar keine Dusche, aber dafür war ein üppiges Abendessen in netter Runde im Preis inbegriffen. Arman bestand dann auch noch darauf, mich später am Abend mit dem Taxi zu einem Internet-Cafe im Ort hin und auch wieder zurück zu fahren und ich konnte machen was ich wollte, er nahm weder Geld noch irgendetwas anderes dafür an. So blieb mir nur, mich mit einem ergebenen und dankbaren Lächeln und einem ausgiebigen Händedruck für seine armenische Gastfreundschaft zu bedanken! Meine Gedanken darüber, ob das auch mal einem Armenier mit einem deutschen Taxifahrer bei uns in Deutschland passieren würde, behielt ich dabei für mich.

Am See entlang ging es unter dunklen Wolken über einen 2.400 m hohen Pass weiter nach Süden zum in toller Landschaft gelegenen Noravank-Kloster. Zwischen Nachitschewan, einer Enklave Aserbaidschans, zu meiner Rechten und Bergkarabach zu meiner Linken ging es auf der quasi einzigen Straße den engen südlichen Zipfel Armeniens entlang südwärts, mit den ganzen Tag über anhaltendem, orkanartigen Gegenwind. So kroch ich zumeist im Schneckentempo furchtbar anstrengend auf und ab über etliche Pässe und erst nach 100 km Kampf gegen den Wind wich dieser einem dichten Nebel und endlich rollte ich in leichtem Nieselregen hinunter nach Goris.

Bergkarabach

(71 km, 1.268 Höhenmeter) Nach einigen Kilometern bergauf und bergab stand ich an der Grenze zur Republik Bergkarabach, ein von Armeniern besetztes und seit 1991 für unabhängig erklärtes Gebiet auf dem Boden Aserbaidschans, das jedoch von keinem anderen Staat anerkannt wird. Die Grenzüberquerung lief problemlos und ich bekam ein Visum für 14 Tage in den Pass geklebt, mit dem Permit für die Orte, die ich besuchen durfte. Die ehemalige 100.000 Einwohner-Stadt Agdam, im Krieg nahezu vollständig dem Erdboden gleichgemacht, stand natürlich nicht auf dem Permit, denn als Geisterstadt direkt an der Waffenstillstandslinie war sie absolutes Sperrgebiet. Nach einigen Erkundigungen in der Hauptstadt Stepanakert wog ich sowohl meine eigene Sicherheit als auch die des Taxifahrers ab, denn ich wollte niemanden in Schwierigkeiten bringen. Nach etlichen Gesprächen erklärte sich ein Fahrer bereit, mich hinzubringen, wenn ich seinen Namen nicht erwähnen und keine Fotos von ihm machen würde. So fuhren wir raus aus der Stadt in den Bergen hinunter in die Tiefebene, wo bis 1994, direkt an der heutigen Waffenstillstandslinie, die Stadt Agdam stand, nur noch erkennbar an Ruinenresten und teils überwucherten Straßen, die durch endlose, fast vollständig zerbombte Straßenzüge führten. Die einzigen drei Menschen, die wir sahen, waren Restmetallsammler oder am Straßenrand sitzende Männer, die, so meinte mein Fahrer, über die Grausamkeiten des Krieges den Verstand verloren und nicht mehr zurück in ein geordnetes Leben gefunden hatten. Wir gaben ihnen Brot und Wasser und verließen das Sperrgebiet schnell wieder.

 Das Museum der im Krieg gefallenen Soldaten schien nur selten von Ausländern besucht zu werden, denn ich wurde von der sehr freundlichen, an der Kasse sitzenden Frau in mittlerem Alter überschwänglich begrüßt und persönlich herumgeführt. Vor einer der zahllosen Wände mit zigtausenden Männerfotos blieb sie stehen und zeigte auf eines von ihnen. Es war ihr Mann.

 Ich war nicht scharf darauf, 170 km über die gleiche, einzige Straße, die ich aus der Mitte Armeniens hierhergekommen war, wieder zurück zu radeln. Auch näherte sich mein Abflug in Van in der Osttürkei langsam und aufgrund der seit langem geschlossenen armenisch-türkischen Grenze stand mir noch der Umweg zurück über Georgien bevor. So verhandelte ich lang und kompliziert mit einem anderen Taxi, mich und mein Rad am nächsten Morgen bis nach Yeghegnadzor zu bringen, von wo aus ich dann auf neuen Wegen wieder nach Norden starten wollte. Am nächsten Morgen kam natürlich niemand und erst nach einiger Zeit war Ersatz in Form eines kleinen Lada organisiert, mit dem wir zur Grenze und weiter zurück durch Armenien Richtung Norden tuckerten.

Armenien II & Georgien II

(480 km, 4.826 Höhenmeter) Natürlich rundete ich die vereinbarte Summe nochmal auf und lud zu einem Kaffee ein, dann verabschiedeten wir uns, bevor es per Rad weiter bergauf und bergab Richtung Norden ging. Der schneebedeckte Gipfel des Ararat erhob sich hinter einer Biegung und an ihm vorbei ging es nach Yerevan, der im Vergleich zum Rest des Landes geradezu pulsierenden Hauptstadt Armeniens mit Straßencafes, riesigen Märkten und sehenswerten Kathedralen in der Stadt und im nahegelegenen Ort Echmiadzin.

Über Gyumri ging es weiter nach Norden, immer bergauf und bergab Richtung Grenze Georgiens, bevor ich einen Tag später auch schon auf die nächste Grenze zuradelte. Über eine kleine malerische Passstraße bei Akhaltsikhe fuhr ich wieder zurück in die Türkei.

Türkei III

(658 km, 7.652 Höhenmeter) Über viele endlose Baustellen mit Straßenbelag aus grobem Kies ging es teils steil bergauf und bergab, hin und wieder auch mit starkem Gegenwind südwärts nach Kars. Nach einem Abstecher zur Ruinenstadt Ani an der Grenze zu Armenien ging es diesmal an der Westseite des Ararat vorbei, nach Dogubayazit an der Grenze zum Iran. Mit dem Weg weiter nach Süden und den steigenden Temperaturen nahmen leider auch die Steine werfenden Kinder zu. Teils wurde ich mit faustgroßen Felsbrocken aus einer Steinschleuder beschossen, so dass ich als Selbstschutz sogar dazu überging, als erster einen Stein zu werfen, um die heran rennenden Kinder aus dem Konzept zu bringen. Das war einerseits nur mäßig erfolgreich und andererseits eine eher traurige Szene, die nichts mit dem zu tun hatte, warum ich mit dem Rad ein Land bereiste. Froh, nicht getroffen worden zu sein und wütend über das nervende Schauspiel trat ich stumpf weiter in die Pedale Richtung Süden, schlug am Ufer des Van-Sees mein Zelt auf und rollte am nächsten Tag in Van ein, zurück an meinem Startpunkt. Die Steine waren bald vergessen. Meine Zeit in Kurdistan und Kaukasus, die spektakulären Landschaften und vor allem all die gastfreundlichen und hilfsbereiten Menschen, die ich kennenlernen durfte, werde ich hingegen nie vergessen.


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